Samstag, 30. Juni 2007

Gothic II (PC)


Das hat man nun davon. Da tötet man den Schläfer, mit dessen Tod sich die Barriere, die die Minenkolonie von Khorinis umspannt hat, auflöst, und wird auf der Flucht aus der Höhle von riesigen Felsen erschlagen. Wenn jemandem so etwas passiert, ist es natürlich praktisch, dass man eine magische Rüstung trägt, die einen am Leben hält und dass man einen Schwarzmagier zu seinen Freunden zählt, der den namenlosen Helden des Spiels Gothic II in seinen neu erbauten Turm in Khorinis teleportiert.

Schwächeanfall

So beginnt der Nachfolger, des in Deutschland entwickelten Rollenspiels von Piranha Bytes, die mit diesem Programm - so viel sei gesagt - eines der besten Spiele aller Zeiten entwickelt haben.
Nach einem Introvideo, steht unser Alter Ego direkt vor Xardas, der ihn über die aktuelle Situation informiert. Und die ist nicht gerade schön. Der Schläfer hat mit seinem letzten Schrei eine Horde von Bestien gerufen hat. Eine Gruppierung dieser Monster sehen Sie schon im Intro: Drachen greifen das Alte Lager an.
Und da unserer Held auch schon den Schläfer besiegt hat, darf er sich mit den Drachen herumschlagen. Allerdings erschweren einige Punkte dieses Vorhaben. Sie benötigen das Auge Innos, das sich im Besitz der Paladine befindet, die im nahe gelegenen Khorinis zu finden sind. Darüber hinaus haben Sie durch die lange Wartezeit unter den Felsen ihre gesamten Kräfte verloren. Sie müssen sich also wieder kräftig hochleveln, um die Drachen besiegen zu können.

Landeskunde

Khorinis ist eine Insel, die vor dem Festland Myrtana liegt. Es gibt hier eine große Stadt, die ebenfalls Khorinis heißt, ein Kloster, das von Feuermagiern bewohnt wird, und einen großen Bauernhof, der dem Großbauern Onar gehört. Hinzu kommen einige kleine Bauernhöfe.
Die Lage auf der Insel ist angespannt. Nachdem sich die Barriere aufgelöst hat, schürft natürlich keiner der Gefangenen mehr Erz, das der König für seinen Krieg gegen die Orks dringend benötigt. Also schickt er ein Schiff mit Paladinen in die Hafenstadt, damit sie nach dem Rechten sehen. Bei der Gelegenheit beuten sie die Bauern aus. Alleine Onar lehnt sich gegen die Paladine auf und beutet selber die umliegenden Bauern aus ...
Man sieht also, dass auch Gothic II wieder eine erwachsene Fantasywelt darstellt, die auf kunterbunte Feinde und auf einfache Schwarz-Weiß-Malerei verzichtet.
Wie schon im Vorgänger dürfen Sie sich im Verlaufe einer der drei Parteien anschließen (Paladine, Feuermagier und Söldner, die Onar angeheuert hat). Diese Wahl fördert nicht nur den Wiederspielwert, sondern unterstützt auch die Atmosphäre. So werden Sie als Söldner nicht gerne in der Hafenstadt gesehen und die dort ansässigen Ausbilder der Miliz weigern sich Ihnen etwas beizubringen.

Nichts für Weicheier

Wie der Vorgänger ist auch Gothic II kein einfaches Spiel. Da sie - wie schon erwähnt - ihre Fertigkeiten völlig vergessen haben, macht Ihnen auch schon eine kleine Gruppe von Blutfliegen das (Über-) Leben schwer. Deshalb gilt hier dasselbe wie Eh und Je: Einzelne Feinde heranlocken, töten, dann den nächsten Feind und dann den nächsten, bis alle Gegner der Gruppe besiegt sind. Das ist bis auf ein paar Ausnahmen nicht sehr anspruchsvoll, denn die meisten Feinde haben nur einen geringen Radius, in dem sie ihre Umwelt wahrnehmen. Allerdings variiert dieser Radius von Feind zu Feind. Orks scheinen übrigens über eine Art Gedankenkommunikation zu verfügen, dann ihr Wahrnehmungsbereich beträgt wohl hundert Meter. Das macht es besonders schwer im Spielverlauf in das Alte Lager zu gelangen, um einen Bericht zu bekommen, der dem Anführer der Paladine die drohende Gefahr für Khorinis beweisen soll. Denn das ganze Lager ist von einer riesigen Horde Orks umgeben. Und wenn ich riesig sage, meine ich riesig.
Immerhin könnt Ihr immer wieder mit KI-Charakteren durch die Gegend ziehen. Zum Beispiel mit einem Jäger auf Jagd gehen, mit Diego zusammen durch das Minental wandern oder euch einfach den Weg von alten Freunden zeigen lassen. Die Intelligenz eurer Begleiter ist nach wie vor eher schwach, soll heißen, sie laufen meist auf fest vorgegebenen Wegen (bzw. laufen euch hinterher), ziehen bei Feindkontakt Schwert oder Bogen, töten den Feind und laufen weiter. Na ja.

Im Spiel sein

Neben diesem kleinen Atmosphäre-Killer, überzeugt Khorinis auf ganzer Linie. Alles ist von Hand gestaltet, egal ob die riesige Hafenstadt oder ein uneinsichtlicher Wald. Man merkt richtig, wie viel Mühe sich Piranha Bytes mit einer glaubwürdigen Umsetzung der Welt gegeben haben. Unter anderem haben die Entwickler auf die aufgeblasene Sprache verzichtet. Stattdessen wird hier ordentlich geflucht. Das liegt wohl auch daran, dass es so wenige Frauen ins Spiel geschafft haben. Das Verhältnis zwischen den Geschlechtern müsste ungefähr bei 1/10 liegen. Wie hier die Geburtenrate aussieht, würde wohl jedem Familienminister Tränen in die Augen treiben. Auch die Tatsache, dass kein einziges Kind zu finden ist, unterstützt diese Vermutung. Aber in dieser harten Welt, in der der Held fast alle Menschen umbringen kann, haben Frauen und Kinder nichts zu suchen. Denn das Töten dieser ist (zurecht) Tabu.
Sowohl die wenigen Frauen, als auch die vielen Männer sind perfekt vertont. Grafisch ist das Spiel natürlich hoffnungslos veraltet, dennoch um einiges ansehnlicher als sein Vorgänger. Immerhin ist das Gothic II schon fünf Jahre alt. Die Modelle sind teilweise sehr grob und kantig, was man leider auch von der Umgebung sagen muss. Dafür sehen einige Texturen auch für heutige Verhältnisse ziemlich gut aus, der große Teil ist allerdings eher hässlich. Und die etwas detailarme Grafik hat man auch schon nach wenigen Minuten vergessen. Das Spiel zieht den Spieler sofort in seinen Bann, wie es kaum ein anderes vermag. Oder er ärgert sich mehr über den Schwierigkeitsgrad als über die Grafik...

Ein bisschen Zeit übrig?

Wenn Ihr gerade keine Lust habt, Khorinis vor der drohenden Gefahr zu beschützen, könnt Ihr auch einfach die Welt erforschen. Es finden sich unzählige Höhlen, die nur darauf warten von ihren gewissenlosen Bewohnern befreit zu werden. Nicht selten entdeckt man in den gut versteckten Höhlen seltene Pflanzen oder Questgegenstände. Wer sich anfangs gründlich in der Gegend um die Hafenstadt umsieht, wird mit einer Orkaxt belohnt, die einer der Meister in Khorinis von Ihnen verlangt, damit Sie dort Lehrling werden können. Und ein Kampf gegen einen Ork ist für einen Charakter, der ersten Spielstunden, wirklich nicht gewöhnlich.
Natürlich können Sie auch einfach ziellos durch die Wälder und Ebenen wandern, vielleicht belohnt Sie das Spiel dank einer Sichtweite von ungefähr 500 Metern mit einem wunderbaren Panoramablick über ein Tal.
Egal was Sie machen, am Schluss können Sie sich zumindest sicher sein, dass Sie sich im nächsten Teil auf jeden Fall an alles erinnern können, denn hier gibt's weder Amnesie noch Kräfteverlust.

Meine Meinung:

Ich liebe dieses Spiel. Wer sagt, dass in Deutschland nur Strategiespiele à la Die Siedler oder Anno entwickelt werden, schlage ich Gothic II unter die Nase, einfach nur halten, wird ihm nicht gerecht. Wie im ersten Teil wirkt alles wie aus einem Guss und es macht einfach Spaß die Welt zu erkunden, selbst wenn ich an einem starken Gegner scheitere. Auch neben dem Schwierigkeitsgrad bleibt Piranha Bytes seinen Wurzeln treu. Es macht einfach den Anschein eines rundum verbesserten Gothic. Ich spiele nicht nur, ich lebe. Das mag jetzt übertrieben wirken, doch werden Sie es verstehen, wenn Sie vor der Entscheidung stehen, welcher Fraktion Sie sich anschließen wollen. Und auch hierin verbirgt sich der Wiederspielwert und die unheimliche Faszination des Programms. Es ist einfach cool, wie die Paladine auf Sie, als einer Onars Söldner, reagieren, wenn sie im Alten Lager durch die Burg laufen. Gut, ich bin bei dieser Reaktion gestorben, aber nie zuvor hatte ich das Gefühl so in einem Spiel drin zu sein. Da verzeihe ich den anspruchsvollen Schwierigkeitsgrad und die detailarme Grafik gerne und empfehle jedem, der Rollenspiele auf dem PC liebt, Gothic II.
Ich vergebe 9 von 10 Punkten für den Höhepunkt der Gothic-Reihe.

Dos Corazones' Meinung

Ich muss den Grafen in manchen Punkten widersprechen. Die Grafik ist natürlich veraltet und kantig, aber der Detailreichtum kann sich immernoch mit neuen Spielen messen. Keine Ecke auf Khorinis ähnelt der anderen, alles ist von Hand erschaffen. Das macht die Gothic-Reihe auch so einzigartig, man fühlt sich zu Hause in der Welt, die die Entwickler um Mike Hoge erschaffen haben. Für Gothic-Veteranen gibt es erfreuliche Wiedersehen mit alten bekannten Gesichtern, wie Diego oder Xardas. Wenn man die trifft, erzählen sie Ihnen wahlweise, woher die Figuren sich kennen, wenn Sie das erste Gothic nicht gespielt haben ist das sehr nützlich. Der Schwierigkeitsgrad ist wieder sehr hoch und wer ohne Rücksicht erkundet, findet sich schnell auf dem Boden wider.
Die Story um den namenlosen Helden und Drachen in der ehemaligen Minenkolonien sucht auch heute noch ihres Gleichen. Schade, dass bei den verschiedenen Fraktionen die Geschichte keine Änderung erfährt, dennoch gibt es genügend Gründe das Spiel mit allen Fraktionen durchzuspielen.

Für den zweiten Teil der Serie verteile ich ebenfalls 9 von 10 Punkten, weil es alles besser macht als Gothic 1.

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